Samstag, 8. Dezember 2012

Die wilde Prinzessin


Es war einmal eine Prinzessin, die war sehr alleine. All die anderen Prinzessinnen wollte nicht mit ihr spielen und behaupteten immer, sie sei keine echte Prinzessin. Das lag daran, dass die Prinzessin nicht aussah wie all die anderen. Ihre Haare waren nicht glatt und auch nicht engelhaft gelockt, sie waren nicht blond oder gülden, sie glänzten nichtig Sonnenlicht. Ihre Haare waren rot und Wild gelockt. Die Locken standen in alle Richtungen ab. Ihre Haut war nicht zart wie Milch und Seide, sondern auf ihrer Nasenspitze tanzten Wilde Sommersprossen. Sie fand es nicht schlimm, alleine zu sein. Immerhin spielten die doofen Prinzessinnen immer nur mit ihren Puppen und flochten ihren Ponnies bunte Bänder in die Haare. Wie langweilig. Die kleine Prinzessin kletterte lieber auf Bäume, baute sich geheime Höhlen und wenn ihr Papa der König dabei war, durfte sie sogar auf dem Pferd durch die Felder reiten. Das durfte ihre Mama die Königin nicht wissen, weil sie sich immer gleich Sorgen machte, Elli, so hieß die Prinzessin, könnte vom Pferd fallen. Deshalb verkleideten sich der König und Elli zu diesen Ausflügen auch immer. Aber alleine durfte Elli das Schloss nicht verlassen, das war oft ziemlich langweilig, weshalb sie oft im Schlossgarten spielte und versuchte, auf alle Bäume im Schlossgarten zu klettern.
Eines Nachmittags kletterte sie auf den besonders hohen Baum an der Schlossmauer. So hoch war sie noch nie geklettert. Sie kletterte bis ganz nach oben und war sich sicher, dass sie von da das ganze Königreich sehen konnte. Und wie sie da im Baumwipfel saß hörte sie ein leises Schluchzen. Unter dem Baum saß ein Junge! Und weinte. „Hej du!“ rief Elli. Der Junge erschrak sich fürchterlich und wischte sich schnell die Tränen weg. Er sah sich um und wusste trotzdem nicht, woher die Stimme kam. Sie musste noch ein paar Mal rufen, bis er sie oben im Baum entdeckte. „Was machst du da?“ fragte er schüchtern. „Klettern. Das siehst du doch.“ Und während sie das sagte, verlor sie ihr Gleichgewicht und fiel runter. Sie plumpste mitten ins Gras, direkt vor den Jungen. „Sieht mir eher nach Fallen aus.“ sagte er und grinste so breit, dass sie seine große Zahnlücke sehen konnte. Er setzte sich neben sie ins Gras und sagte ihr, dass er Joseph sei. „Warum hast du geweint?“ fragte die Prinzessin. 
- „Mein Monster ist weg. Ich kann es nicht finden. Es ist ein ganz liebes Monster, aber es hat sich erschreckt, als es in eurem Garten gekreischt hat und da ist es weg gelaufen.“
- „Das waren bestimmt die blöden Prinzessinnen. Die kreischen dauernd“, sagte Elli. „Warum suchst du dein Monster nicht?“
- „Ich trau mich nicht. Es ist bestimmt da in den Wald gelaufen und da ist es gefährlich. Du würdest da bestimmt auch nicht rein gehen!“
Elli überlegte kurz. Sie durfte ja eigentlich das Schloss nicht verlassen. Aber jetzt war sie eh einmal draußen. Ob es auffiel, wenn sie mit Joseph in den Wald ging?
„Wohl! Komm, wir suchen dein Monster zusammen.“ Sie nahm Joseph an der Hand und rannte mit ihm in den dunklen Wald, bevor er sich wehren konnte.
Von außen sah der Wald ziemlich dunkel und bedrohlich aus, aber von nahmen sah er gar nicht mehr so gefährlich aus. Sie schlichen durch den Wald, vorbei an dunklen Tannen und Höhlen, in denen die Trolle schliefen, die nur nachts wach sind und dann kleine Kinder fressen, die sich im Wald verlaufen hatten. Deshalb schnitzten Jospeh und Elli an jeden dritten Baum ein kleines Kreuz, damit sie nach Hause fanden, bevor es dunkel wurden. Sie kannten ja beide Hänsel und Grätel und waren nicht so dumm Brotkrumen zu verwenden. Irgendwann hörten sie ein leises Wimmern. „Das ist es!“ rief Joseph. Hinter einem Stein saß ein kleines gelb getuptes Monster mit pinken Streifen und weinte bitterlich. Es sah sehr glücklich aus, als es Joseph und Elli saß. Zusammen gingen sie den Weg zurück. Das Monster war so glücklich, dass es nicht im Wald bei den Trollen bleiben musste, dass es laut und ziemlich falsch sang. Als sie wieder an der Schlossmauer waren sagte Joseph: „So schlimm war es gar nicht. Man muss sich nur trauen.“ Elli nickte. „Sag ich doch.“ 
Als Elli im Schloss ankam, merkte sie, dass keiner ihre Abwesenheit bemerkt hatte. Von da an schlich sie öfter aus dem Schloss, um heimlich mit Joseph und dem kleinen Monster   zu spielen. Was sie nicht wusste: ihr Papa wusste es und beobachtete die beiden heimlich mit seinem Teleskop vom Schlossturm aus. Er war froh, dass seine Tochter endlich einen richtigen Freund gefunden hatte und nicht mehr mit den doofen Prinzessinnen spielen musste.
Und so spielten Elli und Joseph bald jeden Nachmittag zusammen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.

2 Kommentare:

  1. WEIBER sag ich da nur!

    Eine wirklich niedliches Märchen.

    LG

    AntwortenLöschen
  2. Ahhhh.... was für ein tolles Märchen! <3

    Hallo MsPittili,

    über ein paar Ecken bin ich (von Nikola aus) eben auf deinem Blog hier gelandet und hab mich schon über eure Personenbeschreibung köstlich amüsiert.
    Da ich selbst mit Begeisterung unterrichte (war ja klar, dass mich dieses "Hefte raus...!" dann anfixt ;-)) und bis zum Schuljahresende nur noch wenig Zeit ist, steht auch das Thema MÄRCHEN (eins meiner Lieblinge) noch auf dem Programm.
    Frage: Würdest du daher erlauben, dass ich - unter Nennung deines Namens naturellement! - meinen 4.Klass-Kids dieses Märchen zum Lesen & Bearbeiten gebe???
    (und falls es dich interessiert, dann lass ich dir deren Ergebnisse dann auch gerne zukommen ;-))

    Herzliche Grüße,
    SOLEILrouge :-)

    AntwortenLöschen